«Die Partnerwahl und die richtigen Kompetenzen sind zentral»

Der Anteil des Gebäudesektors am gesamten Energieverbrauch der Schweiz ist mit rund 40 Prozent happig – es herrscht also dringend Handlungsbedarf. Dieser Herausforderung widmet sich die BKW im Rahmen der Initiative «Lebensräume 2025». Am Sustainable Switzerland Forum im September 2023 in Bern referierte BKW Building Solutions CEO Antonin Guez über nötige Schritte in der Gebäudebranche, um Netto Null bis 2050 – also CO₂-Neutralität – zu erreichen. Wir trafen ihn am Rande des Events zum Gespräch.

Antonin Guez, der Gebäudesektor ist gefordert, damit Netto Null bis 2050 wirklich erreicht werden kann. Wo sehen Sie die wichtigsten Hebel in Ihrer Branche?

Antonin Guez: Um das zu beantworten muss ich etwas ausholen. Grundsätzlich ist es so, dass wir die Ziele von Netto Null im Gebäudesektor nur erreichen, wenn das Dreieck Politik, Unternehmen und Gesellschaft an einem Strang ziehen. Im Moment ist der Druck bei den Unternehmen relativ gross, CO₂-neutral zu werden. Trotzdem beruhen Massnahmen auf Freiwilligkeit. Besitzerinnen und Besitzer von Immobilien auf der anderen Seite haben wenig Anreiz oder Druck, ihre Gebäude zu sanieren und energieeffizienter zu machen. Dies ist jedoch zwingend nötig, um die Ziele zu erreichen. Und da ist die Politik gefordert.

Wie sollte Ihrer Meinung nach die Politik aktiver sein?

Die Politik hat an sich zwei Möglichkeiten: einerseits über die CO₂-Abgaben*, aus meiner Sicht der grösste Hebel, andererseits über Vorgaben und Gesetze. Die CO₂-Abgabe ist nach wie vor nicht für alle verpflichtend und sehr tief bei uns in der Schweiz. Würde man diese genügend erhöhen und auf alle Bereiche anwenden, so setzte sich die Marktwirtschaft in Gang und alle Sektoren müssten aktiv werden.

Wie konkret setzt dies die BKW im Gebäudesektor um?

Wir setzen an verschiedenen Punkten an: Ganz konkret steht im Zentrum immer die Wärme, denn die Wärmeerzeugung ist nach wie vor die grösste Umweltsünderin. Unser Ziel ist es nicht nur, möglichst viele Wärmepumpen zu installieren, sondern diese so effizient wie möglich einzustellen, was leider nicht immer der Fall ist. In diesem Bereich steckt viel Potenzial. Und damit sind wir bei einem zentralen Punkt: bei der Partnerwahl. Wir brauchen Partner, die unsere hohen Qualitätsansprüche erfüllen können und wenn man sich überlegt, dass Gebäude immer Gemeinschaftswerke sind, wird die Partnerwahl sogar plötzlich absolut massgebend.

Dank dem Netzwerk der BKW Gruppe mit ihren Kompetenzfeldern sowie ausgewählten Partnern auf dem Markt sind wir sehr gut aufgestellt.

«Dank moderner Gebäudeautomation kann die Gebäudetechnik so gesteuert werden, dass die Energie so effizient wie möglich genutzt wird, um die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer zu erfüllen.»

Damit sprechen Sie die Kompetenzen aller Player an.

Ja genau. Unsere Arbeit ist – wie so viele – ein People Business. Vom Erstkontakt mit potenziellen Kunden bis zum Abschluss der Arbeit stehen unsere Kompetenzen im Fokus. Kundinnen und Kunden erwarten von uns Expertise. Wenn wir nicht fit genug sind, sind wir für sie die falschen Partner und verlieren sie. Und das ist der Vorteil unseres Netzwerks: Wir pflegen mit unserem Netzwerk einen engen Kontakt und fördern den Wissenstransfer, es gibt sehr attraktive Schulungsangebote auf allen Stufen. Damit sorgen wir für die nötigen Kompetenzen und Kontinuität. Was aber weiterhin eine grosse Herausforderung bleibt – auch bei uns – ist der Fachkräftemangel.

Welche Rolle spielt die Gebäudeautomation in der Thematik von Netto Null?

Eine sehr grosse. Zur Erklärung: Die Gebäudeautomation dient der automatischen Überwachung, Steuerung, Regelung und Optimierung gebäudetechnischer Systeme beziehungsweise Geräte wie Elektroinfrastruktur, Heizung, Lüftung und Kühlung. Dank moderner Gebäudeautomation kann die Gebäudetechnik so gesteuert werden, dass die Energie so effizient wie möglich genutzt wird, um die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer zu erfüllen. Der potenzielle Beitrag der Gebäudeautomation zur Dekarbonisierung beträgt Berechnungen zufolge etwa drei bis vier Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten. Das heisst, dank Gebäudeautomation kann man innerhalb der Immobilienindustrie rund 15 bis 20 Prozent CO₂ einsparen.

Damit sind wir bei den Daten, die auch in Ihrer Branche immer entscheidender werden – gerade in der Automation. Worauf kommt es hier an?

Daten stehen tatsächlich im Zentrum, besonders bei Energieflüssen. Jedes Gerät in einem Gebäude verfügt heutzutage über Messpunkte und damit über Daten. Aber auch hier kommen wir wieder aufs Thema Kompetenzen: Denn Daten sammeln ist das eine, diese via Software richtig zu interpretieren, um beispielsweise ein Haus energieeffizient einzustellen, dazu braucht es gute Leute mit dem nötigen Knowhow. Insbesondere für den Einsatz von Data Analytics und Künstlicher Intelligenz, die für Gebäude immer wichtiger werden. Ein schönes Beispiel dazu ist eines der grössten Immobilienprojekte der Schweiz an der Europaallee in Zürich. Dort haben wir bewiesen, wie Daten optimal die Energieflüsse steuern und so für sehr viel Effizienz sorgen.

* Die CO₂-Abgabe ist ein politisches Instrument, um den CO₂-Ausstoss zu versteuern und so eine Reduzierung von CO₂-Emissionen zu erreichen. Weiter Infos finden Sie hier.

Unsichtbar vernetzt

Wenn die SBB an der Europaallee beim Hauptbahnhof Zürich eines der grössten Immobilienprojekte der Schweiz realisiert, dann wird schnell klar, dass auch die Gebäudetechnik besondere Anforderungen erfüllen muss. Die Sigren Engineering AG aus dem Netzwerk der BKW Building Solutions hat eigens dafür ein wegweisendes Gebäudeleitsystem entwickelt, mit dessen Hilfe sich zukünftig über 4’000 Liegenschaften schweizweit und in Echtzeit austauschen.

Zeitnahe, zukunftsweisenden Lösungen für lebenswerte Lebensräume

Klimawandel, Digitalisierung und Urbanisierung sind Entwicklungen, die unsere Umwelt in hohem Tempo verändern und uns vor Herausforderungen stellen. Gleichzeitig bieten sich auch Chancen für Innovation und neue Denkweisen.

Die Initiative «Lebensräume 2025» der BKW bietet eine Plattform für die gemeinsame Gestaltung von zukunftsweisenden Lösungen für lebenswerte Lebensräume. In verschiedenen, themenbezogenen Ateliers werden mit externen und internen Stakeholdern konkrete Fragestellungen zur Schaffung von lebenswerten Lebensräumen diskutiert und gemeinsam innovative Lösungsansätze und neue Projekte erarbeitet. Damit schafft die Initiative Raum für Zusammenarbeit und einen konstruktiven Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik.

Das grosse Potenzial und damit die Relevanz der Gebäudeautomation für Effizienzverbesserungen und Energieeinsparungen, wurde im ersten Atelier der Initiative «Automation als Hebel in der Dekarbonisierung» durch Expertinnen und Experten diskutiert. Als Resultat entstand ein Whitepaper, welches die bedeutende Rolle der Gebäudeautomation bei der Dekarbonisierung des Gebäudesektors verdeutlicht.