Treibkraft für eine lebenswerte Zukunft

Geht es um Wohlstand, rangieren in der Schweizer Bevölkerung Natur und Umwelt an erster Stelle – weit vor Reisen und Geld für schöne Dinge. Das sind erfreuliche News. Doch die Leute wollen auch kaum verzichten. Nun sollen Plattformen wie die Initiative «Lebensräume 2025» der BKW mithelfen, dass den Worten Taten folgen.

Wenn die englischen Comedians Jamie MacDonald und Julia Sutherland für die hiesige Tourismusorganisation durch die Schweiz streifen, dann stehen nicht die zweifellos spannenden Städte und ihr breites Kultur- und Freizeitangebot im Vordergrund. Hauptattraktion der Clips sind der Wald, die farbigen Landschaften, die Ruhe und das spektakuläre Panorama – kurz: die intakte Natur und Umwelt.

Natur und Umwelt sind es auch, die der Schweizer Bevölkerung besonders am Herzen liegen, wenn es um ihre Zukunftsvisionen geht – und sie gleichzeitig dazu animieren, klimafreundlich zu handeln. Dies hat die repräsentative Studie «Lebenswerte Zukunft» gezeigt, die das Meinungsforschungsinstitut Sotomo im Auftrag der Energie- und Infrastrukturdienstleitsterin BKW bei 3935 Bürgerinnen und Bürgern in der Schweiz und Deutschland durchgeführt hat. Für die Einwohner hierzulande ist eine intakte Natur unverzichtbar. Nun gilt es, diese positive Grundhaltung mit geeigneten Initiativen in konkrete Handlungen zu überführen, um die attraktiven Lebensräume auch tatsächlich zu erhalten.

Intakte Natur und Umwelt an erster Stelle

Die im vergangenen Jahr durchgeführte Erhebung ist der Frage nachgegangen, was die Menschen antreibt, klimafreundlich zu handeln, welchen Sinn sie darin sehen und was es braucht, um eine lebenswerte Zukunft zu gestalten. Besonders auffallend dabei ist das Wohlstandsverständnis in der Schweizer Bevölkerung, bei der eine intakte Natur und Umwelt heute klar an erster Stelle rangiert – und zwar noch deutlich vor dem Wunsch, Beruf und Freizeit in Einklang zu bringen, reisen zu können oder Geld für schöne Dinge zu haben. Die Naturnähe zeigt sich auch in der Forderung nach einem einfachen Zugang ins Grüne oder dem verbreiteten Bestreben, in einer ländlichen Gegend zu leben. In dieser Frage zeigt sich auch ein wesentlicher Unterschied in den Ergebnissen aus Deutschland und der Schweiz.

«Tatsächlich ist dieses Resultat nicht ganz so überraschend und mit dem hohen Wohlstand und der traditionellen Naturverbundenheit der Schweizer Bevölkerung zu erklären», sagt Sotomo-Chef Michael Hermann. So spielen die Natur und ihre markanten Landschaften hierzulande schon immer eine wichtige Rolle in der Identitätsbildung, wie auch die eingangs erwähnte Tourismus-Kampagne zeigt. Kein Wunder also, sorgen sich die Menschen heute verstärkt um ihren Lebensraum, jetzt wo die direkten Auswirkungen des Klimawandels in Form von Hitzewellen oder Unwetter bereits deutlich zu spüren sind.

Auf der anderen Seite kommt in den Antworten auch der hohe materielle Wohlstand zum Ausdruck, der in der Schweiz vorhanden ist. Besonders bemerkenswert ist der Kontrast zu den Resultaten aus Deutschland, wo Reisen und Geld die Spitzenplätze im Wohlstandsranking einnehmen. «Trotz der erhöhten Teuerung und den kontinuierlich steigenden Krankenkassenprämien geht es den Leuten in der Schweiz alles in allem noch immer ausgesprochen gut», so Hermann. Gleichzeitig seien sie zuversichtlich, dass sich an den vorherrschenden Rahmenbedingungen auch zukünftig kaum etwas ändern wird. Und solange ihnen die Finanzen wenig Sorgen bereiten, würden sie sich eher um immaterielle Güter kümmern.

«Ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung nimmt den materiellen Wohlstand schon fast als gegeben an. Doch die Stimmung kann schnell kippen, wenn sich vermehrt Kosten anhäufen», so der Sotomo-Leiter. In diesem Fall würden die anderen Anliegen zwar nicht ganz vergessen gehen, aber wohl etwas in den Hintergrund geraten. Dieses Phänomen ist auch in anderen Studien in der Vergangenheit in Erscheinung getreten.

Michael Hermann, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Sotomo

Verzicht fällt auch hierzulande schwer

Trotz des erhöhten ökologischen Bewusstseins in der Schweiz: geht es um alltägliche Handlungen und – als deren Folge – Einschränkungen zu Gunsten der Umwelt, sind die Entscheidungen auch hierzulande nicht immer kongruent. Dabei fällt auf, dass den Leuten vor allem im Bereich der Alltagsmobilität ein Verzicht schwerzufallen scheint. Erleichtert würde ein klimafreundliches Verhalten durch finanzielle Anreize – oder mit Hilfe von neuen, nachhaltigen Technologien. «Wenn dafür aber eine Rechnung präsentiert wird, dann rücken die Leute auch in der Schweiz bald einmal von ihren Idealen ab – selbst, wenn sie eigentlich wissen, dass der Klimawandel stattfindet», erklärt Hermann. Diese Haltung wurde sowohl in den älteren als auch in den jüngeren Generationen festgestellt.

Unter diesen Voraussetzungen Klimamassnahmen umzusetzen, die das Haushaltsbudget strapazieren, kommt einer Herkulesaufgabe gleich. Eine wesentliche Rolle spielt hierbei das politische System in der Schweiz, das seinen Bürgerinnen und Bürgern zahlreiche Mitsprache- und Entscheidungsrechte gewährt. Hinzu kommt, dass in der Eidgenossenschaft Gesetzesvorgaben und Verbote ohnehin auf wenig Gegenliebe stossen, wie auch die aktuelle Umfrage erneut bestätigt hat. «Was es stattdessen braucht, ist Aufklärung. Man muss den Leuten die positiven Aspekte des Zukunftswandels schmackhaft machen», ist Trend- und Zukunftsforscherin Christiane Varga überzeugt. Auf die Dauer sei dieses Vorgehen auch kostengünstiger, als wenn man den Leuten Verbote vorsetzt. Einfach zu verwirklichen sei dieses Vorhaben allerdings nicht. «Vielen Menschen machen Veränderungen Angst – nicht erst seit dem Klimawandel», so Varga. Umso mehr müsse man aufzeigen, wie viel Gestaltungsspielraum die Zukunft biete. «Und dass es lustvoll ist, diese gemeinsam mitzugestalten.»

Christiane Varga, Trend- und Zukunftsforscherin

Deutlich spürbar ist diese Zukunftsangst auch im Bereich der Digitalisierung und den neuen Technologien. Wobei letztere im Zusammenhang mit dem Erhalt der Lebensräume gemäss der Studie der BKW durchaus positiv bewertet werden: Die Solar- und Wasserstofftechnologie, intelligente Energiesparlösungen oder neue Anwendungen zur Verbesserung der Energieeffizienz wecken die Hoffnung auf eine möglichst schmerzfreie Transition der Wirtschaft. Der schnelle digitale Wandel dagegen erhöht die Verunsicherung. «Es gilt, einen Weg zu finden, wie man die digitale Infrastruktur und das analoge Leben möglichst sinnvoll miteinander verknüpft», so Varga. 

Wie reibungslos dies vonstattengehen werde, sei angesichts der sehr heterogenen und zum Teil auch widersprüchlich agierenden Gesellschaft allerdings offen. Ein einfaches Beispiel für eine solche Anwendung, die neue Technologien für die Verbesserung der Energieeffizienz nutzt, sind intelligente Strassenbeleuchtungen. Sie erhellen die Nacht nur dann, wenn es für den Verkehr und die Passantinnen und Passanten wirklich nötig ist. Damit lässt sich viel Energie einsparen, ohne auf Komfort oder ein erhöhtes Sicherheitsempfinden verzichten zu müssen, was in der Bevölkerung auf breite Akzeptanz trifft. Gleichzeitig wird ein weiterer erfreulicher Nebeneffekt erzielt: Die Lichtverschmutzung nimmt ab.

«Heute ist ein Sternenhimmel in der Nacht kaum noch zu erkennen», bedauert Varga. Auch durch solche Einflüsse habe vielerorts eine gewisse Entfremdung mit der Natur stattgefunden. «Smarte Lösungen wie die intelligenten Strassenbeleuchtungen sind eigentlich vergleichsweise simpel und logisch – man muss aber erst darauf kommen», so die Zukunfts- und Lebensraumforscherin

Antworten der Bürgerinnen und Bürger auf die Fragen: «In welchen Bereichen haben Sie besonders Mühe, zugunsten der Umwelt auf Komfort zu verzichten» / «Und in welchen Lebensbereichen verzichten Sie der Umwelt zuliebe bereits auf gewisse Dinge, die Sie eigentlich gerne geniessen möchten.»

Plattform für Innovation und konstruktiven Dialog

An diesem Punkt setzt die Initiative «Lebensräume 2025» der BKW an. Die Plattform schafft über verschiedene Ateliers Freiräume für die Zusammenarbeit und einen konstruktiven Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Dabei werden in unterschiedlichen Formaten konkrete Fragestellungen zu den Lebensräumen der Zukunft und deren Ausgestaltung gemeinsam diskutiert. Der Austausch zwischen den verschiedenen internen und externen Anspruchsgruppen soll dabei die Basis bilden für innovative Lösungsansätze und neue Projekte. Bis 2025 ist geplant, dass erste Fortschritte präsentiert werden können.

Zuerst gilt es jedoch, den positiven Schwung zu Gunsten von Natur und Umwelt, der laut der Studie hierzulande bereits vorhanden und verankert ist, zu nutzen und die Menschen zum Handeln zu bewegen. «Die Voraussetzungen sind eigentlich gut: Die Leute machen mit, sind interessiert und wollen etwas verändern», sagt Varga. Mit Hilfe von Wirkungsplattformen wie der Initiative «Lebensräume 2025» sollte sich daher viel Positives erreichen lassen. Denn: «Man darf nicht alleine darauf vertrauen, dass das Handeln auch den Idealen folgt – selbst wenn das Bewusstsein für die anstehenden Herausforderungen in der Schweiz schon breit verankert sind», so Sotomo-Chef Michael Hermann.

Die Initiative «Lebensräume 2025» bietet eine Plattform für die Gestaltung von zukunftsweisenden Lösungen für lebenswerte Lebensräume.

Studie «Lebenswerte Zukunft»

Die BKW befragte 3 935 Bürgerinnen und Bürgern: Was treibt Sie an, wenn es um Klimawandel, Energieeffizienz und den Umstieg auf erneuerbare Energien geht?