Kantonsspital Aarau setzt auf BIM

Ein Grossprojekt ohne Papierpläne. Mit passgenau vorproduzierten, zusammensteckbaren Rohren. Und einer Baustelle, auf der Algorithmen Fehler entdecken, bevor sie passieren: Der Neubau des Kantonsspitals Aarau zeigt, wie digitales Planen und Bauen funktioniert.

Ein Gang, der ins Unendliche zu reichen scheint. An der Betondecke reihen sich neue, glänzende Rohre millimetergenau in Reih und Glied. Sanitärchef Pasquale Esposito steht in neongelber Leuchtweste und blauem Baustellenhelm darunter und lächelt stolz. «Das muss man sich mal vorstellen», sagt er, «jede einzelne Leitung ist exakt nach dem digitalen Modell vorproduziert und eingebaut worden!»

Der Gang ist Teil des Neubaus «Dreiklang», der aktuell auf dem Gelände des Kantonsspitals Aarau KSA entsteht. Pasquale Esposito arbeitet für die Neukom Marzolo, eine Konzerngesellschaft der BKW, die hier für alle Sanitärarbeiten zuständig ist. Auf dem Tablet zeigt Esposito ein 3D-Modell: Die Rohre, die man an der Decke sieht, sind darauf farbig abgebildet. Jede Flüssigkeit hat eine eigene Farbe: Kaltwasser grün, Warmwasser rot, Osmosewasser – wichtig im Spital – hellblau, zum Beispiel.

Der KSA-Neubau ist eine der grössten Baustellen der Schweiz: 115’000 Quadratmeter sind auf zehn Stockwerke verteilt. Das entspricht 16 Fussballfeldern. Der Rohbau wurde von Januar 2022 bis Ende Juni 2023 erstellt. Seitdem läuft der Innenausbau. Die Inbetriebnahme ist im Herbst 2025. Das Besondere: Die Baustelle ist völlig papierlos. Statt gedruckter Pläne nutzen alle Mitarbeitenden Tablets mit stets aktuellen 3D-Modellen und -Plänen.

Fehler vermeiden, Zeit sparen, Kosten senken

«Das Bauprojekt und die Arbeitsmethoden haben über die Landesgrenzen hinaus eine starke Signalwirkung», sagt Patric Sommer, Senior BIM Manager beim Bau- und Immobiliendienstleister Implenia. Als Totalunternehmer verantwortet Implenia die Planung, Umsetzung und das Projektmanagement für den schlüsselfertigen Spitalneubau. «Die Einheit für Gesundheits- und Laborbau bündelt umfassende Fachexpertise und verbindet sie mit modernsten digitalen Planungs- und Bauprozessen – ein Ansatz, der seit Jahren Teil unserer DNA ist», betont Sommer.

Implenia setzt beim Grossprojekt die sogenannte BIM-Methode ein, wobei BIM für «Building Information Modeling» steht, zu Deutsch Bauwerksdaten-Modellierung. Die frühe, disziplinübergreifende Zusammenarbeit mit der BIM-Methode ermöglicht die rechtzeitige Lösung potenzieller Probleme, bevor sie auf der Baustelle entstehen.

Für Sanitärchef Pasquale Esposito von Neukom Marzolo ist der Bau der erste, in dem alles digital läuft. «Als wir 2023 starteten, wusste ich nicht, ob wir den richtigen Weg gehen», erinnert er sich. Denn erst einmal ging es um Investitionen und Umdenken: Die Lizenz für die Modelliersoftware beträgt mehrere Tausend Franken. Und die Monteure müssen vom Gewohnten abkommen und sich schulen lassen.

Sanitärinstallationen im Kantonsspital Aarau

Das «Lego-Prinzip»

Mittlerweile aber hat der Sanitär Feuer gefangen. Besonders gefällt ihm das Arbeiten nach dem «Lego-Prinzip», wie er es nennt: Ist das digitale Modell erfasst, werden die Rohre und Aufhängungen auf den Millimeter genau vorproduziert. Im konventionellen Bau können die Sanitäre die bestellten Materialien erst auf der Baustelle abmessen und mit der Kreissäge zuschneiden. Im modernen Bau mit der innovativen Methode werden die Teile bereits zugeschnitten, markiert und durchnummeriert angeliefert. «Die Monteure müssen nur noch die Teile zusammenstecken, wie bei Lego», sagt Esposito. Auch Meterstäbe sind auf der KSA-Baustelle praktisch überflüssig: Wo gebohrt werden muss, zeigt eine Robotikstation mithilfe eines Lasers präzise an. Dadurch benötigte die Firma ein Drittel weniger Monteure und reduzierte den Materialabfall deutlich. 

Die grösste Herausforderung? «Dass alle daran denken, morgens als Erstes das Software-Update zu machen!», sagt Esposito und lacht. Es sei durchaus schon passiert, dass ein Monteur zwei Tage nach einem veralteten Plan arbeitete und am Ende noch mal alles neu machen musste. «Zum Glück aber selten!»

«Die grösste Herausforderung ist, dass alle daran denken, morgens als Erstes das Software-Update zu machen!»
Pasquale Esposito, Neukom Marzolo AG

Wird digitales Bauen zum Standard?

«Die Baubranche befindet sich im digitalen Wandel. Modellbasierte Arbeitsweisen und Vorfabrikation, wie sie im Projekt ‹Dreiklang› umgesetzt werden, sind eine Antwort auf die steigende Komplexität von Bauprojekten sowie den wachsenden Kosten- und Termindruck», sagt Patric Sommer von Implenia. Wichtig ist, alle Projektbeteiligten mit dem Wandel vertraut zu machen. Um die Hemmschwelle des papierlosen Bauens zu senken, hat Implenia auf der Baustelle einen «BIM-Kiosk» eröffnet. Hier erhalten alle Mitarbeitenden Unterstützung, wenn Fragen rund ums digitale Bauen aufkommen. 

«Viele sehen in BIM nur eine technische Lösung, die Geld kostet», sagt Sommer. «Dabei geht es um viel mehr.» Es gehe darum, das Silodenken aufzubrechen und von Anfang an mit Auftraggebern, Unternehmen und Nutzern zusammenzuarbeiten. Effizient Informationen auszutauschen. Änderungswünsche einfach in die Planung zu integrieren. Und am Ende alle Daten digital erfasst zu haben, damit sie später im Betrieb griffbereit bleiben.

Digitales Bauen spart Geld

Im KSA werden alle für den späteren Gebäudebetrieb notwendigen Informationen zu verbauten Anlagen und Bauteilen in einer Datenbank geführt und dem Facility-Management zur Verfügung gestellt, statt in Ordnern in einem Archiv zu verstauben. Im Falle einer Fehlermeldung oder eines späteren Umbaus sind so alle wichtigen Informationen sofort griffbereit. «Das optimiert und vereinfacht den Gebäudebetrieb», sagt Sommer. Plus: «Der finanzielle Mehrwert kommt bei der Betrachtung des gesamten Lebenszyklus einer Immobilie voll zur Geltung.» 

Auch für das Unternehmen Neukom Marzolo hat sich die Rechnung gelohnt. Zwar ermöglicht der KSA-Bau selbst durch die Anfangsinvestitionen auf kurze Sicht keine schnellen Gewinne. Doch die Referenz des prestigeträchtigen Spitalneubaus und die nun zweijährige Erfahrung im digitalen Planen und Bauen haben bereits zu weiteren Grossaufträgen geführt. «Wir spüren, wie gefragt die Expertise im digitalen Planen und Bauen ist», sagt Pasquale Esposito. «Wir können uns mit unserem Know-how jetzt von der Konkurrenz abheben. Von der, die sich noch nicht traut, den digitalen nächsten Schritt zu gehen.»

Man vor Bauplan
«Die Nachfrage nach digitalem Planen und Bauen wächst spürbar.»
Pasquale Esposito, Neukom Marzolo AG

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