Inklusives Training bei den Snowboarderinnen

Für Para-Snowboardcrosserin Romy Tschopp geht es im Winter um Medaillen. Praktisch, wenn man rund um Wettkämpfe bei den Kolleginnen nachfragen und sich Tipps von Profi-Snowboarderin Sina Siegenthaler holen kann. Romys Trainer heisst Silvan Hofer. Sein Berufsleben ist zweigeteilt: Einerseits coacht er Romy mit sehr viel Herzblut, andererseits ist er Maler bei der BKW.

Schaut man sich Bilder vom Para Snowboardcross an, ohne etwas über die Hintergründe zu wissen, denkt man nicht weiter nach: «Wintersport! Aha.» Was sich auf solchen Fotos nicht erkennen lässt, wenn jene Snowboardcrosser eigentlich im Rollstuhl sitzen – so wie Romy Tschopp. Sie leidet unter den Folgen eines offenen Rückens. «Ich bin mit Spina bifida zur Welt gekommen. Das ist wie eine inkomplette Querschnittlähmung. Gewisse Nerven sind verletzt, aber zum Glück nicht ganz zertrennt.» 

Die 31-Jährige hat grosse Mühe beim Laufen, vor allem in der Phase, wo man von einem Bein auf das andere wechselt. «Aber auf dem Snowboard kann ich ‹bschiisse›», sagt sie und lacht verschmitzt. Feste Schuhe und eigens angebrachte Bänder an der Bindung würden ihr Halt geben. «Und ich kann mit der starken Muskulatur gut kompensieren, was die schwächere nicht hinbekommt.» 

Erster Para-Weltcup an der Lenk 

Trotz ihrer Einschränkung nimmt Romy Tschopp erfolgreich am Sport teil. 2022 flog sie als erste Schweizer Para-Snowboarderin zu den Paralympics in Peking. Zudem ist sie zweifache Vizeweltmeisterin. Und in der Heimat? Fand in 2025 der 1. FIS Para Snowboard World Cup überhaupt statt – an der Lenk: «Ich bin stolz und freue mich, dass der erste Weltcup in der Schweiz ausgetragen wurde. Das bringt den Para-Sport weiter, und an der Lenk zu fahren, ist immer ein grosses Vergnügen.» 

Tipps für die Strecke holte sich Romy Tschopp zu Beginn der Saison beim inklusiven Training in Saas-Fee VS von Sina Siegenthaler (24). Die Emmentalerin ist eine der besten Schweizer Snowboardcross-Fahrerinnen. Sie hat ihre Karriere an der Lenk gestartet und kennt ihren Hausberg wie ihre Westentasche. «Es gibt ein paar Schlüsselstellen. Bei der ersten Kurve musst du möglichst viel Speed mitnehmen in die zweite Kurve, weil es dort flacher wird», sagt Siegenthaler zu Tschopp. «Unten ist dann noch alles möglich, weil du mehr oder weniger bis ins Ziel überholen kannst. Das gibt spannende Wettkämpfe!» 

Neben der Piste ist Romy Tschopp auf den Rollstuhl angewiesen. «Snowboarden gibt mir das Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit zurück, das mir im Alltag fehlt.» Rechts: Sina Siegenthaler.
«Beim Laufen habe ich Mühe, von einem Bein auf das andere zu wechseln. Aber auf dem Snowboard kann ich ‹bschiisse›.»
Romy Tschopp, Para Snowboardcrossfahrerin

Gecoacht wird Romy Tschopp von Silvan Hofer (46). Er arbeitet eigentlich als Maler bei der BKW. Parallel zu dieser Arbeit hat der diplomierte Berufstrainer das Swiss-Para-Snowboard-Team aufgebaut und trainiert dieses seit 2017. In seinen zweiten Job ist Hofer einfach hineingerutscht.

«Ich bekam eine Anfrage, ob ich Sehbehinderten in einem Camp Snowboarden beibringen möchte. Das hat mich so fasziniert, dass ich anfing, bei PlusSport mitzuarbeiten.» Die Dachorganisation des Schweizer Behindertensports setzt sich für Menschen mit Behinderungen ein und bietet ihnen vielfältige Sport- und Bewegungsmöglichkeiten. «Vor fünf Jahren fragte sich Swiss Paralympics – im Hinblick auf die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking –, warum es eigentlich kein Para-Snowboard-Team im Leistungssport gibt», so Hofer weiter. «Ich übernahm dann die Aufbauarbeit und den Trainerjob.»  

Silvan Hofer analysiert mit Romy Tschopp den Kurs. Er ist Trainer des Schweizer Para-Snowboard-Teams.

Weil es noch keine Strukturen gab und es an allen Ecken und Enden an Geld fehlte, war Silvan Hofer am Anfang Mädchen für alles und sehr gefordert. «Ich arbeitete eigentlich 100 Prozent bei der BKW und musste alles unter einen Hut bringen. Das hat sich natürlich auf mein Privatleben ausgewirkt.» Dass Letzteres ihn schmerzt, zeigt er offen.  

Seine Opfer und sein Einsatz haben sich aber auf sportlicher Ebene ausgezahlt: Sowohl Romy Tschopp als auch Aron Fahrni qualifizierten sich für die Olympischen Spiele 2022 in Peking. Und auch wenn Aron Fahrni dort am Ende doch nicht starten konnte, ist er inzwischen Profi geworden. «Das heisst, er kann vom Sport leben. Er ist auch der erste Para-Snowboarder, der die Sport-RS in Magglingen BE gemacht hat. Ich durfte ihn dabei begleiten.»  

Wermutstropfen: Silvan Hofer wurde bei der Ankunft in Peking positiv auf Corona getestet und musste in Quarantäne. «Du gibst alles und dann so was – das frisst dich auf.» Zum Glück war er für die Rennen aber wieder fit. 

Grosszügige Arbeitgeberin

Sein Pensum bei der BKW hat Silvan Hofer inzwischen auf 60 Prozent reduziert. Dank der Flexibilität seiner Arbeitgeberin kann er im Sommer mehr arbeiten als im Winter. So bleibt ihm mehr Zeit für das Para-Snowboard-Team. «Ich bin sehr stolz darauf, bei der BKW zu arbeiten. Ohne sie und meine Vorgesetzten Anton Lötscher und René Hilbrand wäre das Projekt nie so vorwärtsgekommen. Sie haben immer an mich geglaubt und waren da, wenn ich Hilfe brauchte.» 

Zum Beispiel kann Hofer bei Bedarf kostenlos einen Bus der BKW ausleihen, um seine Athletinnen und Athletin ins Training zu fahren. «Einen Bus zu mieten, kostet über die Saison betrachtet Tausende von Franken. So können wir viel Geld sparen und das Budget schonen.» Starthilfe gabs auch durch einen Arbeitskollegen. «Er hat den ganzen Service für die Snowboards übernommen, um mich zu entlasten.»  

Inzwischen muss Hofer nicht mehr alles selber machen. Zwei Servicemänner, eine Physiotherapeutin und eine Trainerin helfen mit, die insgesamt neun Athletinnen und Athleten zu betreuen. Drei der Sportlerinnen und Sportler gehören allerdings zum holländischen Team. «Sie beziehen seit letzter Saison Trainingsdienstleistungen von uns», so Silvan Hofer. Dass dem so ist, findet er gut. «Die Holländerin Lisa Voss wurde letztes Jahr Weltmeisterin. Alle können voneinander profitieren.» 

Auch die inklusiven Trainings bringen sämtliche Beteiligten weiter. «Aktuell trainiert einer unserer Athleten im Europacup mit der nicht behinderten Snowboard-Mannschaft. Und manchmal kommen nicht behinderte Athletinnen und Athleten zu uns ins Training, zum Beispiel, wenn sie den Kopf wieder freikriegen müssen oder etwas Erdung brauchen.» 

Dieser Beitrag entstand in Kooperation mit Ringier. Fotos: Marc Amann

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